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Bei meinem letzen Besuch in Köln bei meinen Großeltern erzählte mir mein Großvater voller Nostalgie, wie sie damals, -es muss in den 60-er Jahren gewesen sein- das Haus neu aufgebaut haben. Er erzählte mit vielen Details fast zwei Stunden lang, und mein Vater und ich merkten, wie mein Großvater in Erinnerung jene schöne Zeit nochmals durchlebte und ließen ihn erzählen, fast ohne ihn zu unterbrechen, was notwendig gewesen wäre, denn ich habe nicht alles richtig verstanden, da ich viele Begriffe im Jakobsdorfer Dialekt den Hausbau betreffend nicht mehr kannte. Pfr. Alfred Rudolf Dahinten (externer Link) |
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Einer trage des anderen Last... 1. Das Altenteil Es war in jener guten alten Zeit, als der Wind noch durch die Wälder pfiff und Fuchs und Hase sich auf sächsich „Gute Nacht“(Gjiad Noicht) sagten, als ich und meine junge Frau Susanna uns aufmachten, ein Haus zu bauen. Wir wohnten damals auf dem Hof meiner Eltern und diese wollten sich um jene Zeit auf ihr Altenteil zurückzuziehen, um mir, als dem jüngsten Sohn, und meiner Familie Platz zu machen. Es gab allerdings ein Problem;- das Altenteil, wo schon die Großeltern gewohnt hatten, war baufällig geworden und es stellte sich nun die Frage, ob man das Altenteil der Großeltern renovieren oder eine Stube an das Haus anbauen sollte. Während wir uns berieten, was zu tun sei, sagte man Vater uneigennützig zu mir: „Mein Junge, baut lieber eine Stube an das Haus an, dann habt ihr, wenn ich und deine Mutter nicht mehr da sind, mehr Platz für eure Kinder.“ Dies schien uns allen die Beste Lösung, aber bevor etwas angebaut werden konnte, musste zuerst der Dachboden renoviert werden, denn das Haus, welches noch mein Großvater gekauft hatte und welches in der Mitte der Gemeinde Jakobsdorf stand, war schon sehr alt. Wir hatten mit meiner Frau für Renovierung und Anbau 8000 Lei zusammengespart, das war damals eine stolze Summe (ung. 10 Monatsgehälter), und waren deshalb guten Mutes. 2. Einer trage des anderen Last (ab)... Mit meinem Schwager Misch Wonner und einigen hilfsbereiten Leuten aus der Nachbarschaft machten wir uns also an die Arbeit und begannen das alte Dach unseres Hauses abzutragen. Die Leute der Nachtbarschaft kamen traditionsgemäß morgens und arbeiteten bis mittags, sie blieben aber nicht zum Mittagsessen, denn eine Verköstigung von 20-30 Leuten wäre ein riesiger Aufwand gewesen. Dem Wahrheitsgehalt des Spruches: „viele Händ' machen schnell ein End'“ entsprechend ging die Arbeit auch bei uns durch so viel Hilfsbereitschaft zügig voran. Aber um so mehr Ziegeln wir abtrugen und um so mehr sich der Dachstuhl entblößte, um so bedenklicher wurden unsere Mienen;- das ganze Gebälk war morsch, verbogen und teilweise verfault. Mit meinem Schwager, der handwerklich sehr begabt war und die Arbeiten anführte, berieten wir uns immer wieder. Als sich immer neue Schwachstellen offenbahrten, sprach er schließlich zu mir: „Eh, Schoger (Schwager), ich würde sagen, wir sollten den ganzen Dachstuhl abbauen. Bevor wir an so vielen Stellen flicken, machen wir ihn lieber ganz neu.“ Das Gute an der Geschichte war, daß wir genügend Ziegeln von dem Dach, das doppelt und teilweise dreifach gedeckt war, für den neuen Dachstuhl würden verwenden können. Sie wurden fein säuberlich im Hof gestapelt und aufbewahrt. Die Schwierigkeiten nahmen indessen kein Ende. Als das Dach aufgedeckt war, mussten wir einsehen, daß auch das Mauerwerk große Mängel aufwies. Immer wieder mussten wir von unserer Arbeit innehalten, uns eine schiefe Mauer besehen oder wie lose das Mauerwerk stellenweise ineinanderlag. Vor allem die Decke war von Ratten durchlöchert, die hier gehaust hatten, als das Haus in den Anfängen der kommunistischen Zeit von der Staatsfarm (I.A.S.) besetzt gewesen war. Wir lösten die Decke aus dem Mauerwerk und zogen sie mit einem Traktor vom Haus herunter. Aber noch immer sahen die Mauern uns nicht stabil genug aus. Wir zündeten uns bedenklich unsere Zigaretten an und beratschalgten. Immer wieder aufs Neue sahen wir uns gezwungen, noch ein weiteres Stück der Mauer abzutragen. Meine fleißige Frau Susanna, die uns bekochte und den Schutt wegtrug, seuftzte jedesmal mit Schrecken: „Um Christi Jesu willen!“, wenn sie sah, daß wieder ein Stück schlechter Mauer unseren Schläghämmern und Brechstangen zum Opfer fiel. Letztendlich hatten wir sogar einen Teil der Kellermauern abgetragen und konnten erst Halt machen, als wir etwa auf Höhe des Kellers auf eine dicke und solide Steinmauer stießen. 3. Ein Bravourstück Aus dem Plan, eine Stube für die Eltern aufzubauen und dazu das Dach zu renovieren, musste nun doch ein Hausbau werden, was jedoch, wie man sich gut wird vorstellen können, unsere finanziellen Möglichkeiten bei Weitem überstieg. Mit einem großen Teil des zusammengesparten Geldes musste erst einmal Zement gekauft werden. Den konnten wir damals käuflich erwerben. Mit dem Schotter war es schon schwieriger. Ich redete mit meinem Freund Georg Ohrend, welcher der Chef der Traktoristen bei der Staatsfarm war. Ich erzählte ihm, daß ich für mein Haus dringend Schotter brauche und bat um Hilfe. An dem darauffolgenden Samstag fuhren wir mit 4 Traktoren samt Anhängern (Remorken) an die Kokel, setzten an einer Flußbiegung eine Remork rückwärts in das Wasser und versuchten sie mit Schotter aus dem Fluß zu belanden. Wir fanden aber leider nicht genug Schotter in der Kokel, obwohl wir es noch an verschiedenen Stellen versuchten. Entäuscht mussten wir unsere Aktion abbrechen und heimfahren. Gottseidank ließen sich die Traktoristen nicht so einfach beirren und am Sonntag nach dem Gottesdienst fuhren wir an den weiter entfernten Altfluss. Hier fanden wir den benötigten Schotter. Wir setzen eine Remork nach der andern in den Fluß und beluden sie mit unseren Schaufeln. Es war eine langwierige und schwere Arbeit, denn wir standen mit den Füßen im kalten Wasser, das uns oft bis an die Oberschenkel reichte. War eine Remork beladen, musste der Traktorist sie mühevoll aus dem Wasser zum Ufer hinaufziehen. Als alle Remorken voll beladen waren, machten wir uns über Kleinschenk und Großschenk wieder den Heimweg. Auf einer Anhöhe nahe des Dorfes Mergeln bemerkten wir, daß die Remork von Georg Ohrend eine Reifenpanne hatte. An einen Reifenwechsel war nicht zu denken, es hatte niemand damals Reservereifen für die Remork dabei. Wir hielten bei einem Heuschober irgendwo vor Agnetheln und versuchten den Reifen mit Heu zu füllen, damit, wenn schon der Reifen zerfetzt wird, wenigstens die Felge heil bliebe. Es half alles nichts; der Ohrend- Georg musste den Traktor auf Touren halten, damit er die Last bewältigen konnte, die durch die Panne zusätzlich gebremst wurde. Und wir sahen, hinter ihm herfahrend, unter dem zerfetzten Reifengummi die Funken sprühen. Aber die Traktoristen von damals waren entschlossene und unbeirrliche Leute, und letztendlich kam unser Freund mit einer voll beladenen Remork ohne Reifen und mit einer völlig kaputten Felge in Jakobsdorf an. Meine Frau deckte den Tisch im Freien unter einem Kirschbaum zum Abendessen; wir steckten unsere Zigaretten an, tranken ein Stamperl Pali und noch manchen Becher Wein beim Abendessen und waren froh und stolz über das Bravourstück unseres Traktoristen. Das war die Jakobsdorfer Nachbarschaftlichkeit und Hilfsbereitschaft. |
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Da ich gute Freunde und Jagdgenossen unter den Forstmeistern des Jakobsdorfer Waldgebietes hatte, konnten wir für den Dachboden 12 schöne, gerade Eichen „organisieren“ , welche unsere beiden Zimmermänner schnitten und behauten, aber für den Fußboden brauchten wir mindestens noch einen 5 Meter langen, trockenen Balken. Ich ging also zum Forstmeister Câmpu und fragte ihn, ob er mir nicht zu einem solchen Balken verhelfen könne. Er sagte, er habe zwar keinen, aber er schickte mich zu einer alten Brücke über den Haarbach, die einmal gebaut worden war, um Holz von einer Schnittstelle aus dem Wald zu transportieren. Sie war nicht mehr in Gebrauch, und Herr Câmpu sagte, wenn ich einen Trägerbalken fände und ihn aus der Brücke herausschlagen könne, so sei er mein. Der Balken war mit einem Ende tief in der Erde vergraben, denn er sollte ja einst die Brücke stützen. Auf der gegenüberliegenden Seite hatte sich schon jemand anders den Balken geholt. Diesmal waren wir mit einem anderen Traktor unterwegs, welchen der Georg (Gjesch) Schapes führte. Er holte ein langes Stahlseil aus der Kabine, welches zu dem Arsenal eines guten Traktoristen gehörte, und band es um den Balken, während sein Kollege Pit und ich mit Axt- und Hammerschlägen versuchten, den Balken in der Erde zu lockern. Als wir meinten, er sei locker genug, setzte sich der Schapes- Gjesch in den Traktor und fuhr vorsichtig an. Aber anstatt daß sich der Balken bewegte, hob der Traktor seine Schnautze in die Luft. Abermals versuchten wir den Balken zu lockern und gruben mit den Spaten soviel von dem Balken frei, wie nur möglich war. Dann stellten wir uns mit dem Pitz vorne auf den Traktor um ihn im Gleichgewicht zu halten. Und tatsächlich schaffte es der Schapes- Gjesch durch gekonntes Kuppeln und Gasgeben den Balken aus der Erde zu ziehen. Wir nahmen schweigend und höchstens mit einen dankenden Blick die Leistung des Traktoristen zur Kenntnis. Viele Worte waren nicht nötig; -man wusste, was man aneinander hatte. Und noch war unser Problem nicht gelöst, denn bis Jakobsdorf gab es damals nur Schotterstraße, und als wir den schweren Balken hinter uns herzogen, riß er eine tiefe Furche in die Straße. Bis zur Einfahrt nach Jakobsdorf konnten wir ihn teilweise übers Feld oder irgendwie nur neben der Staße herziehen, aber auf der Hauptstraße in Jakobsdorf war das nicht mehr möglich. Wir gingen zum Bürgermeister Bologa und fragten um Rat. Dieser war ein Mensch unter den Kommunisten, wie nicht alle Bürgermeister damals waren, er verstand unsere Schwierigkeiten. Er sagte nur: „Zieht ihn nur nach Hause, wir werden die Straße schon wieder ausbessern.“ Wir rundeten die vordere Seite des Balkens ab, damit er nicht mit einer Kante die Straße tief aufackere, und zogen ihn behutsam heim auf die Baustelle. |
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Ich ging also ins Agnetler Rathaus, wo die Rajonalverwaltung ihren Sitz hatte, und suchte aber das Büro des Parteisekretärs auf. Vor dem Büro hielt mich aber der Hans Welther auf, ein Sachse, der damals Portier im Rathaus war, und sagte mir, der Herr Parteisekretär wolle heute nicht gestört werden. Ich bat ihn, mich durchzulassen, und sagte ihm, daß ich große Probleme hätte, aber er befolgte stur seine Anordnungen und schickte mich weg. Ich war ein wenig enttäuscht und wütend, den er kannte mich ja und hätte mich durchlassen können. Ich ging zu einem anderen guten Bekannten von mir, zu dem Herrn Rusu von der Agnethler Filiale der „Asociaţia Pescarilor şi Vînătorilor sportiv“ (der kommunistische Jagd – und Fischverein), mit dem ich ebenfalls schon manche Jagdpartie absolviert hatte, und erzählte ihm von meinen Sorgen. „No stai că îi dau eu un telefon lu Şerbănescu, ui acum” (Ich werde Herrn Şerbănescu gleich anrufen) sagte Herr Rusu und griff zum Telefonhörer. „Să trăiţi, tovarăse secretar! Auzi, tovarăşe secretar, îl am pe Rudi de la Iacobeni aici la mine la birou. Îi necăjit, că are ceva probleme şi o vrut să vină pînă la Dumneata, să vorbească cu tine, dar nu l-o lăsat Hans. Cum putem să facem...?” (Hallo Herr Sekretär! Herr Rudi aus Jakobsdorf ist bei mir. Er hat ein paar Probleme und möchte Sie sprechen.) Nach einer kurzen Weile legte er auf: „Hai să mergem, că ne asteaptă.” (Lass uns gehen, wir werden erwartet.) Er begleitete mich zu Şerbănescu, der den Hans weggeschickt hatte und uns erwartete. Ich erzählte ihm von meinem Problem mit dem Roma aus Alzen, der mir Schwierigkeiten machen wollte. Ungeduldig, wie Leute in hohen Positionen oft sind, unterbrach er mich gleich nachdem er das Wesentliche gehört hatte und sagte: „No auzi, măi Rudi, cum facem;- dute tu acasă, adună-ţi oameni, da-ţii drumu linistit la treaba, că cu ăsta rezolv eu. Dute tu numa linistit.“ (Geh nach hause, arbeitet weiter, ich kläre das schon). Ich bedankte mich schön bei ihm, hinterließ ihnen noch zwei Flaschen Schnaps, die ich stets griffbereit in meinem Ranzen hatte, und ging. Beim hinausgehen hörte ich noch, wie er nach dem Telefonhörer griff und die Verbindung nach Alzen verlangte. Zuhause angekommen, benachrichtigte ich unsere Leute, daß das Problem gelöst sei und schon bald trudelte einer nach dem anderen in Arbeitskleidung ein. In weiteren zwei Tagen war das Haus fertig, nur der Dachstuhl musste noch aufgebaut werden. Von dem Kontrolleur hörten und sahen wir nichts mehr. Schon bald konnten wir mit meiner Familie in das neugebaute Haus einziehen, welches uns über die Jahre so treu vor Wind und Wetter beschützt hat und uns ein warmes und liebevolles Heim gewesen ist. Nur der alte Trägerbalken im Fußboden knarrte noch des Öfteren, wohl aus Ärger darüber, daß er von seinem sonnigen Plätzchen am Waldesrain entführt worden war. Rudolf Grommes (nacherzählt von Pfr. Alfred Rudolf Dahinten) |